Storchenkamera Dinkelsbühl

Storchentagebuch 2012
...was bisher geschah

Unterstützt durch

Rotary-Club Dinkelsbühl-Feuchtwangen
Der Umwelt verpflichtet!

Teil 2

02. Mai 12

Die Familie ist noch immer vollständig, d.h. es leben noch alle 5 Jungadebare. Das Nesthäkchen hat seinen dritten Lebenstag erreicht, ist aber bereits größenmäßig deutlich hinter seine Geschwisterchen zurückgefallen und auch bei Nummer 4 sind Größenunterschiede nicht ganz zu leugnen. Die Nahrungsversorgung klappt. Die Beutetiere, die das Fassungsvermögen der Jungen übersteigen, werden nach Ende des Fütterungsvorganges vom jeweiligen Altvogel für seinen eigenen Bedarf endversorgt und der späteren Verdauung zugeführt.

Wie hoch ist der Nahrungsbedarf junger Störche?, wird im Gästebuch gefragt. Das hängt natürlich vom jeweiligen Alter der Kleinen ab. Im Augenblick – die Jungen sind zwischen 3 und 5 Tage alt – benötigt die Familie pro Kopf Jungvogel ein Nahrungsgewicht von wenigen 100 Gramm. Das Geburtsgewicht eines Jungstorchs liegt so zwischen 70 und 80 Gramm und steigert sich bis zum 5. Lebenstag bereits auf rund 160 Gramm. Das bedeutet, dass unsere Fünflinge im Augenblick so zwischen 100 und 160 Gramm auf die Waage bringen. Eine erwachsene Amsel wiegt etwa 100 Gramm und damit so viel wie ein Storchenküken am zweiten Lebenstagt. Wenn der Nahrungsbedarf am größten ist und auch die Wachstumskurve der Jungen am steilsten ansteigt, diese Zeit beginnt so mit der vierten Lebenswoche, beginnt für die Eltern endgültig die anstrengendste Phase der Jungenaufzucht. Nun sind Futtermengen von annähernd einem Pfund Lebendgewicht nötig, um die Brut zu sättigen. Ein Pfund/pro Kopf versteht sich! Und da sind die Pfunde für die Eltern noch gar nicht mitberechnet. Bei einer sechsköpfigen Familie (Papa, Mama und vier Kinder) sind dies immerhin sechs Pfund Nahrung pro Tag. In Mäusen (Gewicht einer Maus im Durchschnitt um die 20 Gramm) gerechnet müssen also in einem solchen Falle rund 150 Mäuse her. Da diese Aufgabe des Nahrungstransportes lediglich auf zwei Schnäbeln beruht, haben die beiden Eltern immerhin in dieser Zeit jeweils 70 bis 75 Mäuse am Tag zu fangen. In Regenwürmern gerechnet – diese Nahrung ist nun weniger kalorienreich und weniger proteinhaltig – muss ein Storchenpaar für sich und jedes seiner Jungen rund 1000 Regenwürmer fangen, für unser Beispiel zusammen also 6000 Regenwürmer pro Tag. Diese Beispiel zeigen Ihnen, welche Bedeutung der Nahrungsqualität eines Lebensraumes zukommt. Je vielfältiger sich also der Lebensraum präsentiert, desto größer sind die Überlebenschancen der Brut. Wenn es wegen einer Trockenperiode weniger Regenwürmer für die kleinen Jungen gibt, muss adäquater Ersatz vorhanden sein, sonst kommt es zu Nahrungsengpässen, obwohl die Eltern viele Mäuse heranschleppen, die aber am Anfang des Jungendaseins vom Nachwuchs noch gar nicht gefressen werden und gefressen werden können. Da ist Abwechslungsmöglichkeit angesagt in Form von Egeln, Jungfischen, Larven aller Art usw. Unsere Dinkelsbühler Störche nutzen – man sieht es regelmäßig an den verschlammten Beinen – einige der momentan nur spärlich mit Wasser gefüllten Fischteiche der Umgebung. Da müssen nur einer oder ganz wenige davon in diesem Zustand sein und schon wird ein solcher Platz regelmäßig zur Nahrungssuche angeflogen. In der Umgebung des Brutplatzes gibt es weit über 300 Weiher, die zum größten Teil für die Zucht des als Speisefisch vor allem im gebackenen Zustand vorzüglichen Dinkelsbühler Karpfens dienen.


Noch alle 5 an Bord!

Spitzeln erlaubt!
 
03. Mai 12

Dieser Tag sollte als der letzte Lebenstag für unser Nesthäkchen in die Annalen eingehen. Wenn wir ehrlich zu uns sein wollen, hat wohl keiner von uns mit einer anderen Wendung der Geschichte gerechnet. Das fünfte Junge stellt in jedem Fall nur die biologische Reserve für optimale Verhältnisse dar und solche Verhältnisse sind nun mal ausgesprochen selten! Es gab noch einige Sichtnachweise von fünf Schnäbeln im Verlauf des heutigen Tages, doch am Ende des Tages war Nummer 5 nicht mehr am Leben. Ob ein Elternvogel das geschwächte oder schon tote Tier einfach kurzerhand aus dem Nest geworfen oder gefressen hat, konnte niemand beobachten. Ein rund 100 Gramm schweres Beutestück hinunterzuwürgen, bedeutet für einen erwachsenen Storch keine große Schwierigkeit und würde auch nahrungsbedingte Vorteile bringen. Nun können wir uns zusammen immerhin noch über 4 Jungstörche freuen, die auch diesen angenehmen und warmen Frühlingstag vom Wetter her genießen konnten.

  
Die letzten Bilder mit 5 Jungen gegen 16 Uhr!

 
4. Mai 12

Dramatik pur! Für Aufregung war zumindest bei Ihrem Tagebuchschreiber reichlich gesorgt. Vier Schnäbel gab es zu sehen, das fünfte Küken blieb und bleibt verschwunden, Darüber hatte ich ja schon gestern berichtet. Von einem längeren Ausflug in die Gegend meiner Heimatstadt zurückgekehrt, erreichte mich gegen 17 Uhr ein Anruf von Carola aus Dinkelsbühl. Sie gehört sicher zu den treuesten Besuchern unserer Website und darüber hinaus zu den fleißigsten Gästebuchschreiberinnen und hat sich seit Jahren durch die Herausgabe Ihres Storchenkalenders als Förderin der Storchenkamera Dinkelsbühl überaus verdient gemacht. Sie bat mich, einen Blick ins Nest nach Dinkelsbühl zu werfen. Mit einem Storch scheine etwas nicht zu stimmen. Carola klang etwas besorgt und bei ihr wusste ich sofort, dass da etwas sein musste. Diese Meinung bestätigte sich dann aber leider sehr schnell. Im Nest stand einer der Altstörche und dieser war sichtlich bemüht, ein schon seit Tagen am Nestrand erkennbares Knäuel, das sich wie der Teil eines feinmaschigen Netzes ansah, wieder vom Schnabel zu lösen. Dieses Gebilde hatte sich so am Schnabel verwickelt, dass es der Adebar selbst durch andauerndes kräftiges Schütteln nicht mehr losbekam. In mir stiegen schon alle möglichen Szenarien auf, wie die Geschichte wohl weitergehen und enden könnte? In diesem Zustand war es diesem Vogel nicht mehr möglich, Nahrung aufzunehmen geschwiege denn seine Jungen zu versorgen. Gebannt und teilweise auch ziemlich sprachlos verfolgten Carola und ich – verbunden über das Telefon sowie über das im Internet laufende Bild – die verzweifelten Versuche des Adebars mit den verschlammten Beinen, den Fremdkörper wieder loszubekommen. Zwischen Hoffen und Bangen verfolgten wir weit über eine Stunde lang den Kampf mit dem Fremdkörper. Wie Schnappschüsse belegen, hatte dieser Storch gegen 16.50 Uhr seine Jungen gefüttert. Folglich musste er wenige Minuten zuvor erst am Nest gelandet sein. Die Spuren an seinen Beinen ließen weiter vermuten, dass er an einem der zahllosen, wenig Wasser führenden Weiher in der Umgebung Dinkelsbühls auf Futtersuche gegangen war. Als die Jungen ihren Anteil an Futter verschlungen hatten, nahm der Fütterer den Rest der Beute – überwiegend die größeren Stücke – wieder auf. Als er dabei war, einen größeren Fisch wieder abzuschlucken und vom Nestboden aufzunehmen, geriet das schon beschriebene Utensil an und teilweise auch in den Schnabel. Die Schüttelbewegungen des Altstorchs mit Kopf und Hals wollten kein Ende nehmen. Ohne Gnade klebte der Fremdkörper am Schnabel oder hatte sich sogar in ihm verhakt. Keine Fernsehsendung könnte einen so sehr in den Bann ziehen, wie dieses Drama, das sich da vor unseren Augen im Dinkelsbühler Storchennest abspielte. Sollte uns auch in diesem Jahr nichts erspart bleiben? Alles hatte so hoffnungsvoll begonnen. Ein wenig Wut kam hoch über all die Zeitgenossen, die alles und jedes in der Natur entsorgen und einfach Gedanken- und achtlos in die Gegend werfen. War es ein Angler, ein Fischer, der sich dieses Dings einfach so entledigt hatte? Inzwischen war der Partner des Unglücksraben am Nest gelandet (man sah zusammen vier Beine!). Doch auch dieser schien vom überraschenden und nicht einordbaren Verhalten seines Ehegespons reichlich überfordert. Er suchte nach kurzer Inspektion des Nestes das Weite, ohne an eine Fütterung zu denken. Inzwischen war eine gute halbe Stunde vergangen und noch immer zeigte sich die Situation unverändert. Die Schüttelbewegungen nahmen kein Ende. Man glaubte manchmal zu erkennen, als wolle Adebar einen Fuß zu Hilfe nehmen, um das Netz abzustreifen, doch die Hoffnung erfüllte sich nicht. Zu allem Unglück entdeckten die Beobachter noch eine schwarze Schnur, die sich um den Körper eines Jungstorchs gewickelt hatte, ohne diesen allerdings in irgendeiner Weise zu behindern. Diese Sorge mussten wir zumindest im Augenblick nicht auch noch mit bedenken. Nach weiteren 20 Minuten erschien die Ablösung erneut. Und wieder zeigte sich der Ankömmling sehr beunruhigt und vorsichtig am Nest, als wolle er fragen, was da los sei und weshalb diese Situation zustande gekommen war? Etwa 75 Minuten nach dem ersten Kontakt mit dem Fremdkörper im Nest war der Leidtragende an den Nestrand getreten, der von der Kamera nicht ganz eingesehen werden kann. Und dort entdeckte Carola den Fremdkörper plötzlich wieder liegen. Sollte es der Kämpfer letztlich doch geschafft haben, sich aus dem Netz zu befreien? Der ablösende Storch war in der Zwischenzeit wieder zur Tagesordnung übergegangen. Doch wie die Geschichte enden würde, blieb uns noch verborgen. Kommt die Ablösung noch vor Einbruch der Dunkelheit? Werden wir heute noch eine Klärung des Sachverhaltes erleben oder müssen wir uns weiter gedulden und zwischen Hoffen und Bangen in die Zukunft blicken? An eine aktive Hilfe war so jedenfalls nicht zu denken. Von Menschenhand war dieser Fremdkörper am Schnabel eines der Dinkelsbühler Altstörche nicht zu entfernen. Aber vielleicht findet der findige Vertreter aus der Tierklasse der Vögel eine eigene Lösung? Zu welch unglaublichen Taten Vögel und im Besonderen unsere Lieblinge „Störche“ fähig sind, wissen wir nicht erst seit unserem Schorsch, der die Hälfte seines Schnabels verlor und weiter kämpfte, wiederkam, eine Brut hochbrachte und im folgenden Jahr erneut am Nest auftauchte, sich nicht mehr durchsetzen konnte und darauf verschwand. Und ich erinnere noch an einen aktuellen Fall aus dieser Brutzeit. Nach mehrmaligen Partnerwechseln an einem umkämpften Nest in Gunzenhausen tauchte dort eine beringte Storchendame auf, der große Teile eines Beines unterhalb des Intertarsalgelenkes fehlten. Dieser Storch brütete in den Jahren 2010 und 2011 im benachbarten Laubenzedler Nest. Gegen Ende der Brutzeit im vergangenen Jahr entdeckte ich bei dieser Störchin, dass sie eine schwere Beinverletzung zu beklagen hatte. Ein apfelgroßer Ballen Bindegarn hatte sich so um die Zehen gewickelt, dass sie damals schon Schwierigkeiten hatte, das Bein zu belasten und schwer hinkte. Sicherlich war damals schon die Blutzufuhr so behindert, dass das Bein nicht mehr versorgt wurde. Die Spätfolgen kann man nun in Gunzenhausen via Webcam sehen. Im Winterhalbjahr verlor die Störchin den Fuß, ohne dass sie daran verstorben wäre. Ich weiß nicht, ob ein Säugetier eine solche Verletzung in dieser Weise überlebt hätte. Von Infektionen ganz zu schweigen.

Nun schickt sich das Paar an, eine erfolgreiche Brut in die Wege zu leiten. Es wird auf alle Fälle schon mal gebrütet. Paarungen klappten und der Rest wird sich zeigen. Wenn Sie möchten, werfen Sie einen Blick nach Gunzenhausen unter:

http://www.lehner-zumstorchennest.de/storchennest.html

 


Zum Glück nur
kurz gefesselt!

Der Kampf mit dem Fremdkörper beginnt
– ein grausames Spiel
 
05. Mai 12

Es hat abgekühlt und wieder etwas geregnet. Für die Storchenfamilie ganz sicher keine extremen Bedingungen und vielleicht unter dem Strich sogar besser als eine noch längere Trockenheit. Wenn sich die Höchsttemperaturen so im Bereich von um 15 Grad bewegen, bräuchten wir uns auch bei Dauerregen (den es nicht gab!) keine Sorgen machen. Wie alle beobachtet haben, versuchen beide Eltern, ihre Jungen so oft und lange wie möglich fürsorglich unter ihre Fittiche zu nehmen. Dass dies bei vier Jungen, die täglich deutlich sichtbar größer werden, nicht immer leicht fällt, beweisen die Verrenkungen im Bereich der hinteren Extremitäten bei Papa und Mama Storch. Sie versuchen dabei ganz instinktiv die langen Haxen ein wenig aus der Liegefläche des Nestes zu nehmen, um so mehr Körper- wärme an die Jungen abgeben zu können. Das Gebein der Adebare ist zwar auch durchblutet, jedoch liegt dort die Körpertemperatur unter 10 Grad. Wärme wird also von diesen Beinen nicht abgegeben. Wen wundert es da, dass Adebar weiß, dass es für die Jungen kein Vorteil ist, auf den Beinen zu liegen? Also weg mit diesen und ruhig ein wenig nach oben und außen gestreckt, damit das Jungvolk möglichst zahlreich und konzentriert an die väterliche und mütterliche und außerdem 42 Grad warme Brust gerät.


Irgendwo müssen sie ja hin, die langen Haxen!

Die erste hoch erfreuliche Nachricht dieses Tages kommt direkt aus dem Nest! Das Netz, das einem der Elterntiere gestern diese dramatischen Schwierigkeiten bereitet hatte, ist zum Glück verschwunden. Bei der ersten Ablösung des Tages gab es keine Zweifel mehr! Die Schnäbel der beiden Eltern waren wieder ohne Beigabe. Wie sich der Fremdkörper schließlich löste, weiß nur Freund Adebar selbst! Ich muss gestehen, dass ich schon meine Zweifel hatte, dass sich eine solche Wendung ganz von selbst einstelle würde. Deshalb ein Bravo an den Kämpfer, ein Pfui aber an alle, die diesen Unrat einfach in die Natur entlassen. Hier ist sicher noch viel Aufklärungsarbeit zu leisten und mit weiteren, meist unerkannt verlaufenden Tragödien dieser Art muss leider weiter gerechnet werden.

 
Alles wieder in Ordnung! 4 zufriedene Junge!


Fette Beute! Zu groß für die Jungen!

 

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Hinweise

Auch in der storchenlosen Winterzeit sind weitere Spenden eingegangen. Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Beiträge zum Erhalt der Webcam und zur Sicherung des Lebensraumes unserer Störche.

Thomas Ziegler

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