Storchenkamera
 
Storchentagebuch 2004
...was bisher geschah

Unterstützt durch

Rotary-Club Dinkelsbühl-Feuchtwangen
Der Umwelt verpflichtet!

Teil 6

10. Mai 04

 

Begleiten Sie mich heute auf meiner Storchenreise entlang der Wörnitz ein Stückchen weiter. Schon seit geraumer Zeit erhebt sich bei unserer Fahrt am Horizont der Hesselberg, die mit 689 Metern höchste Erhebung Mittelfrankens. Für geologisch und botanisch Interessierte bietet dieser Zeugenberg eines ehemaligen Jurameeres interessante Entdeckungen und ist schon allein aus diesem Grund eine Reise wert. Natürlich müssen Sie damit rechnen, dass an Wochenenden viele Menschen dort anzutreffen sind, die als Model- und Gleitschirmflieger ihren Hobbys frönen. Wer sich mehr nach Ruhe sehnt, sucht in Wittelshofen – vier Kilometer östlich von Weiltingen – das Storchennest. Unterhalb des Südabhanges des Berges am Zusammenfluss von Sulzach und Wörnitz ist das Nest auf dem 25 Meter hohen Kamin der ehemaligen Molkerei nicht zu übersehen und ragt weit über alle Häuser des Ortes hinaus. Man muss schon weit zurückblicken, um in alten Veröffentlichungen über den Storch in Franken Hinweise auf Wittelshofen als Storchenort zu erhalten. Der von mir schon häufiger zitierte Josef Gengler erwähnt Wittelshofen in seiner Bestandsübersicht, die das Jahr 1903 betrifft und schreibt: „Wittelshofen: Ein Nest stand seit urdenklichen Zeiten auf dem Kamin des Pfarrhause. Vor etwa zehn Jahren ließ das K. Landbauamt das Nest wegnehmen und neben dem Kamin auf dem First aus Brettern eine Unterlage für ein neues Nest herrichten. Die Störche kommen seitdem wohl in jedem Frühjahr auf einige Tage auf das Pfarrhaus, verschwinden dann aber wieder.“ In allen späteren Erfassungen des Storchenbestandes (in den Jahren 1933/35, 1958, 1965, 1974) taucht Wittelshofen nicht mehr auf. Die Geschichte des Nestes kann im Folgenden auf Grund eigener Beobachtungen weiter geschrieben werden. In meinen Aufzeichnungen finde ich Wittelshofen erstmals unter dem Datum vom 5. Juli 1971: 2 ad. (=erwachsene) Weißstörche, beide beringt, auf dem Kamin der Molkerei. Im Herbst des Jahres 1978 wandte sich der Leiter der Molkerei Wittelshofen überraschend an mich und unterbreitete mir einen interessanten Vorschlag. Da der Betrieb den Kamin nicht mehr benötige, wäre man bereit, den still gelegten Kamin als Unterlage für ein Storchennest zur Verfügung zu stellen. Die Idee sei ihm gekommen, nachdem er in der Zeitung viel über meine Arbeit in Sachen Storchenschutz gelesen hätte. Mein Freund Hans Tschunko kletterte kurze Zeit später auf den Kamin, nahm die Maße und anschließend fertigte ein Schmied ein entsprechendes Gestell an, das am 20. April 1979 mit Hilfe der Feuerwehrdrehleiter aus Bechhofen am Kamin befestigt wurde. Bereits am 16. Juni stand erst mal ein Storchenpaar für einige Stunden im Nest, dem weitere Besucher folgten. Bereits im nächsten Jahr, wir schrieben das Jahr 1980, gab es die erste erfolgreiche Brut mit 3 ausfliegenden Jungen. Ein weiteres Märchen wurde wahr und Wittelshofen hielt wieder Einzug in den Kreis der Storchenorte. In den folgenden Jahren blieb der Erfolg nicht aus. Bis 1995 war der Ort nur in einem Jahr nicht besetzt. Bei 15 Bruten flogen 33 Junge aus. Doch das Jahr 1995 war überschattet vom Stromtod eines der Altvögel. Danach verwaiste der Brutplatz und das Nest wurde nur noch sporadisch angeflogen. Erst im Jahr 2002 fand die Geschichte eine weitere Fortsetzung mit der Brut eines Paares und dem erfolgreichen Ausfliegen zweier Jungstörche. Nach dem Verlust der Jungen durch Kämpfe im vergangenen Jahr, hat sich in diesem erneut ein Paar gefunden, das in diesen Tagen mit dem Schlüpfen der Jungen rechnen kann.


Das Nest auf dem Kamin der ehemaligen Molkerei,
heute ist in Teilen des Gebäudes die
Gemeindeverwaltung untergebracht

 
Kamin und Nest im momentanen Zustand

Der Regen hat aufgehört und die Temperaturen kletterten heute erstmals wieder etwas über die 10-Grad-Marke. Von Sonne konnten wir auch während dieses Tages nur träumen. Unser Paar betreibt seine Brutgeschäfte weiterhin ohne Probleme und ohne jegliche Störungen. Die Ablösungen erfolgen immer reibungslos. Die Burtanteile beider Partner halten sich in etwa die Waage, d.h. beide brüten gleich lang. Frisches Gras belebte über weite Strecken des Tages den Nestinnenraum.

Morgengruß um 7:12 Uhr Ein Ei will hoch hinaus!

    
Frau Storch erscheint zur Ablösung

 
11. Mai 04

Die Regenzeit scheint zumindest im Augenblick überstanden zu sein. Leider haben die Tage zwischen dem 1. und dem 8. Mai in Mosbach an der Wörnitz zu Verlusten unter den Jungen geführt. Da man dort nicht in die Nestmulde sehen kann, sind einige Schlussfolgerungen aus meinen Beobachtungen rein spekulativ. Fest steht aber, dass am 6. Mai drei Junge im Alter von ganz wenigen Tagen (1 bis 4 Tage) im Nest lagen, die beiden Eltern diese huderten und mit Sicherheit weitere Eier bebrüteten. Am 8.Mai konnte ich jedoch während eines längeren Ansitzes am Nest keine Jungen mehr ausmachen und ich vermutete an diesem Tag bereits, dass die drei vom 6. Mai nicht mehr am Leben seien. Da aber das Weibchen während meiner Anwesenheit eine Eischale aus der Nestmulde entfernte und am Nestrand ablegte, musste neues Leben im Nest sein. Dies konnte ich am 10. Mai bestätigen, als ich erneut in Mosbach war und für kurze Zeit einen Kopf aus der Nestmulde ragen sah. Auch heute, am 11. Mai, ergab sich für mich die gleiche Situation.


Ein Junges hat bisher überlebt!

Auf Grund dieser Beobachtungen schließe ich folgendes. Die zuerst geschlüpften drei Jungen sind unmittelbar nach dem 6. Mai verendet. Spuren fanden sich nirgends. Am 8. Mai schlüpfte ein viertes Junges, das im Augenblick das einzige zu sein scheint. Da man nicht weiß, wie groß das Gelege war, muss abgewartet werden, ob noch weitere Junge schlüpfen. In den vergangenen beiden Jahren bestand das Gelege desselben Weibchens aus jeweils 6 Eiern. Heute brachte „Sie“ ausgiebig Futter in Form von Regenwürmern, die sie in Rufweite zum Nest gesammelt hatte. Der morgendliche Nebel zauberte an unserem Nest milchig zarte Töne. Die ganze Szene hatte bei morgendlicher Beleuchtung etwas Unwirkliches und konnte einen gewissen Reiz nicht verbergen. Ich wünschte mir öfters solche Nebelbilder, bedeutet Nebel für unser Paar doch keinerlei Gefahr. Vielleicht verzögert eine ganz dicke Nebelsuppe am Morgen den ersten Abflug ein wenig. Nachdem sich der Nebel gelichtet hatte, wurde es ein herrlicher Sonnentag, der bis zum Einbruch der Nacht auch keinerlei Gewitter- oder Unwettergefahr erkennen ließ. So können Mensch und Tier friedlich in die Nacht entschlummern. Kurz vor 21 Uhr erschien der Storchenmama und auch in der hereinbrechenden Dunkelheit wendete „Er“ die Eier, sehr zur Freude Ihres Tagebuchschreibers, der noch einen letzten Schnappschuss dieser Szene beisteuern konnte.

Nebelimpressionen Sie lässt ihn allein im Nebel zurück
   

Steh auf! Ich bin wieder dran!

Der Tanz um das Gelege
   

Nun übernimmt er das Brutgeschäft!

Eindeutig 4 Eier! Wo ist das 5.?


Oder gibt es doch keines?

 
12. Mai 04

Ich kann und muss mich heute sehr kurz fassen. Der Morgen begann mit herrlichstem Sonnenschein und so blieb es fast den ganzen Tag über. Unsere beiden „Eltern in spe“ machten ihre Sache ganz ausgezeichnet und sollten in knapp zwei Wochen für ihre Leistungen auch belohnt werden. Ein fünftes Ei ließ sich heute nicht einmal andeutungsweise im Nest erkennen. Dafür gab es aber einige prächtige, durch nichts getrübte Blicke auf das Ei-Quartett.


Nach Adam Riese komme ich
eindeutig auf vier Eier

Schnell wieder
zudecken!
   

Da heißt es warten,
bis sich „er“ bequemt aufzustehen!

Die Begrünung der Nestmulde gehört
weiter zum guten Ton!
 
13. Mai 04

Es war unserem Paar nicht vergönnt, das Begonnene auch erfolgreich zu beenden. Da hatte doch alles so reibungslos und glatt angefangen und bis in die späten Nachmittagsstunden deutete nichts auf die kommenden Ereignisse hin. Gleich vorab: Das, was geschehen ist, wird man nie verhindern können und es gibt auch keinen Anlass, deshalb sehr traurig zu sein. Darum bitte ich alle meine Leser, den bitteren Verlust des Geleges zu akzeptieren (es bleibt uns ja wirklich nichts anderes übrig!) und den Blick nach vorne zu richten. Die Kamera wird weiter laufen und sie wird das Geschehen der nächsten Tage, Wochen und Monate ebenso aufzeichnen wie das Vergangene. Wer weiß, was uns noch alles geboten wird? Ihr Tagebuchschreiber wird auch darüber zu berichten haben und vielleicht kann ich Sie im Weiteren über neue Erkenntnisse informieren und vielleicht ereignet sich ja noch etwas, was uns über den Verlust dieses Tages hinwegtröstet.


Ein Bild aus glücklichen Tagen!

Doch lassen Sie mich die Ereignisse, die uns so betroffen machen, im Moment in kurzen Zügen zu Papier bringen und in den nächsten Tagen auf gewisse Details und Fragen, die im Gästebuch angeschnitten wurden, antworten. Das Unglück nahm – wie sich später herausstellte - bereits in den späten Nachmittagstunden seinen Lauf. Ich saß um 17 Uhr, wie meist, wenn ich schulische Dinge zu erledigen habe, am Computer und hatte dabei ein Auge auf das Kamerafenster mit dem Bild vom Dinkelsbühler Storchennest geworfen. Um 17:05 Uhr fertigte ich einen Schnappschuss des die Eier wendenden Weibchens, während ihr Gemahl am Nestrand stand und sich der Gefiederpflege hingab.


Sie kümmert sich um das Gelege, er ordnet die Federn!

Um 17:18 Uhr hatte ich bei einem Bildwechsel eine Szene vor mir, die die beiden Dinkelsbühler Störche weiter im Nest zeigte, aber auch Teile eines dritten Storches. 5 Sekunden später (ein Schnappschuss gelang mir dabei nicht) standen beide Dinkelsbühler und die vorher frei liegenden Eier, waren fast komplett mit Gras zugedeckt. Ich denke aber nicht, dass in diesen Augenblicken der Fremdstorch im Nest Fuß gefasst hatte.


Luftalarm!
Wir sind aber auf Draht!

Nun habe ich die Eier
wieder versteckt!

Die Abwehrmechanismen des Paares griffen in diesen Momenten einwandfrei und wie es sich gehört, flog Papa-Storch mehrmals in der Folgezeit vom Nest und versuchte, außerhalb des Blickwinkels der Kamera den Eindringling zu vertreiben. Er erschien zwischendurch immer wieder am Nest, es wurde gedroht, geklappert und die ganze Größe zur Schau gestellt. Die Szene beruhigte sich vermeintlich und Ihr Tagebuchschreiber entfernte sich von seinem häuslichen Ansitz, da ihn weitere Verpflichtungen außer Haus riefen. Diesen Zeitraum überbrückte allerdings zu meiner Freude Helmut Wilfling, Anrainer des Storchennestes und Inhaber eines Modehauses am Ledermarkt. Da bei ihm per Funk die Kamerabilder in Fernsehqualität und als Livestream auflaufen, konnte er einen weiteren Angriff um 17:47 Uhr dokumentieren.


Hoffentlich geht das gut!

Diese Attacke erwies sich schon als ernster und heftiger, doch auch hierbei konnten die „Dinkelsbühler“ die Oberhand behalten und ein längeres Bleiben des Fremden am Nest verhindern. Als ich gegen 18:17 Uhr meine letzten Schnappschüsse des Geleges machte, befanden sich die Eier noch alle in der Nestmulde. Unser Weibchen wendete die Eier, das Männchen stand daneben.


Den wären wir los!

Musikalische Neigungen führten Ihren Tagebuchschreiber nun endgültig außer Haus, so dass er das weitere dramatische Geschehen nur an Hand ihm eingesandter Schnappschüsse rekonstruieren konnte. Dafür möchte ich mich bei Helmut, Gisela und ganz besonders bei Ulrich bedanken, dem die eindrucksvollsten Schnappschüsse der aufregenden Minuten kurz vor 21Uhr zu verdanken sind. Dennoch klafft – bisher – eine Lücke in den Beobachtungen von 18:17 Uhr bis 20:12 Uhr. Der Beginn weiterer Angriffe – diese müssen in dem genannten Zeitraum stattgefunden haben – lässt sich durch Beobachtungen von Thomas Joas weiter eingrenzen, da er bis gegen 20 Uhr das Nest beobachtete und dabei keine bedrohlichen Ereignisse bemerkte. Die Eier waren zu dieser Zeit noch vorhanden. Doch unmittelbar darauf muss der entscheidende Angriff des Fremdstorches passiert sein. Max schreibt im Gästebuch von einem Storch und einem Ei am Nestrand, sein Eintrag stammt von 20:12 Uhr. Der nächste Schnappschuss zeigt 20:15 Uhr und verdeutlicht die beschriebene Situation. Rechts neben dem Kopf des liegenden Storches schimmert weiß ein Teil des Eies. Ein Storch steht auf dem Dachfirst. Es ist mit größter Sicherheit der Fremdstorch, der auf eine weitere günstige Gelegenheit wartet.


Nun hat es uns doch noch voll erwischt!

Ob das Männchen zu diesem Zeitpunkt allein am Nest war, was zu vermuten ist, lässt sich nicht eindeutig belegen. Der entscheidende Schnappschuss von 20:32 Uhr zeigt auf alle Fälle das Ergebnis der erfolgten Attacke. Ein unberingter Storch (sicher unser Männchen) steht in Nest. Am oberen Nestrand ist ein Ei zu erkennen, das da nichts verloren hat.

   
Das nimmt kein gutes Ende!

Vier Minuten später ist es weg und von Ulrich erfahren wir, dass es beim Versuch des „heimischen“ Männchens, es zurück in die Nestmulde zu rollen, über Bord gegangen ist.


Nun ist dieses Ei auch verloren!

Ab 20:51 Uhr tobt schließlich die entscheidende Schlacht, in dessen Verlauf mindestens ein weiteres Ei (es waren also noch nicht alle über Bord gegangen!) an den Nestrand gerät und anschließend „verschwindet“. Ein Schnappschuss zeigt einen Storch (den Fremden?), der ein Ei im Schnabel hält, das 10 Sekunden später für Augenblicke am hinteren Nestrand zu sehen und wieder kurze Zeit später auch von dort entschwunden ist.


Ei im Schnabel! 

Ei am Nestrand!

Während der gesamten Kampfzeit war das zweijährige Weibchen auf keinem der vielen Schnappschüsse zu erkennen, so dass kein Zweifel bestehen kann, dass es sich auch in keinster Weise an den Auseinandersetzungen beteiligte. War dies Zufall? Hat die Storchendame das Geschehen fernab im Nahrungsgebiet zugebracht, ohne auch nur das Geringste mitzubekommen? Teile der horstnahen Wörnitzwiesen sind seit heute gemäht, so dass Nahrung auch im Umfeld des Nestes in reichem Maße gegeben war. Hielt sie sich bewusst aus der ganzen Sache heraus? Ich will hier um nichts in der Welt eine Schuldzuweisung erteilen. Kein Tier macht das eine oder das andere bewusst. So auch die zweijährige Erstbrüterin nicht! Doch im Storchenleben lernt man eben aus Erfahrung und eine solche Erfahrung mit fremden Angreifern fehlt der Storchenmama auf alle Fälle, bei Papa Storch wissen wir es nicht. Ohne Worte sei noch eine kleine Auswahl der packendsten Schnappschüsse vom Kampf um das Gelege angeführt!

   
   

Um 21:01 Uhr, die Schlacht ist geschlagen, tritt die Dame des Hauses auf den Plan, wird vom Sieger begrüßt und schließt einen traurigen Tag ab.


Was ist denn hier passiert, mein Storchenmann?

Da momentan in Dinkelsbühl um 22:30 Uhr die Lichter ausgehen, bleibt offen, ob sich weitere Angriffe im Schutz der Dunkelheit ereigneten. Ich glaube dies nicht, es gab für den Fremden auch keinen Anlass mehr. Die Eier waren hinausgeworfen und zerstört, ein weiteres Attackieren gegen eine Übermacht sicher aussichtslos. Nun hat also unser Paar einen Pyrrhussieg errungen, denn die beringte Storchendame ist nach wie vor am Nest und das gleiche gilt auch für den Partner. Die Eier aber sind unrettbar verloren. Nun hat es in diesem Jahr unser Nest erwischt und ein Angreifer hat für eine kleine Tragödie gesorgt, die aber in keinem Verhältnis zu menschlichen Tragödien und Schicksalsschlägen steht und stehen darf. Im letzten Jahr waren es in der Nähe von Dinkelsbühl die Angriffe von fremden Störche, die Gelege und Junge in den Nestern von Wittelshofen und Gerolfingen vernichteten. Die Reihe der bekannten und unbekannten Vorfälle dieser Art ist sicher grenzenlos. Es gab sie schon immer und es wird diese Verluste weiterhin geben. Die Kamera wird weiter Bilder ins weltweite Internet liefern, als ob nichts geschehen wäre. Das Tagebuch wird weitergeführt und ich verspreche, auch ohne Nachwuchs im Nest über alles zu berichten. Im Jahr 2002 gab es in unserem Nest auch keine Jungen und dennoch waren die Ereignisse in und um das Nest mindestens ebenso spannend und voller „Sex and Crime“, dass meine Leser über entgangene Kinderfreuden nur kurz enttäuscht waren. Mein Tipp: Blättern Sie wieder einmal im Tagebuch des Jahres 2002 Auf mehreren Hundert Seiten erleben Sie hautnah die Tragödien und Eskapaden eines ereignisreichen Jahres. Damit Sie schnell über die heutigen Ereignisse informiert werden können, verschiebe ich weitere Erläuterungen auf die nächsten Einträge. Bleiben Sie bitte unserer Website nach wie vor treu! Sie werden es nicht bereuen! Vielleicht wartet unser Paar noch mit der einen oder anderen Überraschung auf. Dabei bleiben und staunen!

 
14. Mai 04

Der gestrige Tag ging in puncto Dramatik und Ereignisreichtum in die Geschichte des Nestes ein. Seit der Wiederbesetzung Dinkelsbühls durch Störche nach 25-jähriger Pause im Jahre 1993 hat sich nichts Vergleichbares ereignet. Es gab zwar nicht immer Nachwuchs, dies lag aber durchwegs an weniger aufregenden Begebenheiten. Nun wurde ich im Gästebuch mehrmals gefragt, wie sich die Geschichte weiter entwickeln wird.


An diesen Anblick muss
man sich gewöhnen

Wo ist unser
Gelege?


Vielleicht wird auch dieser Blick
zu den vertrauten gehören?

Da lassen sich viele Antworten finden. Die unwahrscheinlichste gleich zu Beginn. Die Storchendame legt in einigen Tagen weitere Eier. Es kommt zu einer neuen Brut. Diese Variante hätte vielleicht gegriffen, wenn der Gelegeverlust unmittelbar nach Fertigstellung desselben eingetreten wäre, die Hormone also weiterhin auf Eiproduktion eingestellt gewesen wären. Das ist aber leider nicht der Fall. Da das Weibchen nicht gewechselt hat, müssen wir davon ausgehen, dass die hormonelle Konstitution des Weibchens von der Möglichkeit, Eier zu produzieren, bereits zu weit entfernt ist. Hätte sich bei den Kämpfen ein neues Paar durchgesetzt, wäre es vom Zeitpunkt der Nestbesetzung aus betrachtet vielleicht gerade noch mit einer Brut gut gegangen. „Mein“ spätester Brutbeginn in 35 Jahren Storchenforschung lag um den 20. Mai. Also vergessen wir ganz schnell die Geschichte mit dem Nachgelege und möglichem Nachwuchs. Das wird nichts mehr. Für die größten Optimisten unter meinen Lesern sei aber dennoch angeführt, dass sich Vorbereitungen für eine Zweitbrut an bestimmten Verhaltensweisen ablesen lassen. Dazu zählen beispielsweise Kopulationen (Paarungen), ohne die kein befruchtetes Gelege zustande kommt. Was passiert aber dann, wenn keine weitere Brut einsetzt? Heute stand der Storchenmann – soweit ich es beurteilen kann – fast ununterbrochen im Nest, häufig auch in Gesellschaft seiner Partnerin. Diese machte aber schon gelegentliche Ausflüge, die länger dauerten. Die aufregenden Stunden des gestrigen Tages sind also nicht spurlos an „ihm“ vorüber gegangen. Die physischen Anstrengungen lassen seine „Standhaftigkeit“ am Nest sicher erklärbar werden. So oder ähnlich wird es auch in den nächsten Tagen weiter gehen. Die Anwesenheiten am Nest werden sich verkürzen, spannend wird auf jeden Fall der abendliche Einflug und die Frage nach der Übernachtung am Nest. Es könnte sein, dass sich das Paar aus Dinkelsbühl zurückzieht und an anderer Stelle ein neues Nest in Besitz nimmt und dort den Rest des Sommers verbringt. Es könnte ebenso der Fall eintreten, dass dann ein neues Paar in Dinkelsbühl aufkreuzt und die Stelle des ursprünglichen Paares übernimmt. Es könnte aber auch sein, dass unsere so sehr vom Schicksal getroffenen Jung-Eltern den ganzen Sommer dem Nest die Treue halten, uns die meiste Zeit durch ihre Präsenz erfreuen und dass im nächsten Jahr beide mehr Glück mit einer Brut erleben werden. Doch da die letzten Gedanken allesamt auf bloßen Vermutungen beruhen, müssen und dürfen wir uns in der nächsten Zeit selber von den tatsächlichen Gegebenheiten überzeugen. War der gestrige Eindringling einer der Brutpartner aus dem letzten Jahr? Von Georg oder Pauline war da die Rede. Ich will nichts ausschließen, denn ein Beweis für solche Vermutungen kann nicht geführt werden. Betrachten wir das Leben des berühmten Senderstorches „Prinzesschen“ sind solch verspätete Ankünfte eines erfahrenen alten Storches durchaus möglich, aber sicher nicht die Regel. Wenn also bei Pauline und Georg alles normal verlaufen wäre, wären sie sicher rechtzeitig an ihrem alten Nest eingetroffen. Meine Vermutung geht in eine andere Richtung. Bei unserem „Täterstorch“ könnte es sich um einen echten „Störstorch“ handeln, der ohne die Absicht ein Nest zu besetzen oder gar selbst zur Brut zu schreiten, anderen Paare durch solche Aktionen Schaden zufügt. In der Literatur wird dabei von „Halbstarken“ gesprochen, die durch diese Taten ihre eigenen Fähigkeiten testen, um vielleicht im kommenden Brutjahr diese Erfahrungen gezielt bei der Besetzung des eigenen Nestes zur Anwendung bringen. Soweit man solche Störer bisher identifizieren konnte, handelte es sich abgesehen von den eigentlichen „Eigentümern“ meist um junge Störche, die ihre erste Brut noch vor sich hatten.

Nachdem nun zumindest vorläufig kein absoluter Nahblick in die Nestmulde mehr nötig ist und außerdem die Störche in nächster Zeit bevorzugt im Nest stehen werden, habe ich mich entschlossen, den Nestblick wieder etwas totaler zu gestalten.


Die Kamera zeigt ab sofort diesen Ausschnitt

Zu diesem Zwecke wurde die Kameraeinstellung etwas zurückgezoomt. Ich denke Thomas Joas und mir ist dabei eine schöne Darstellung gelungen, die wir vor Beginn der Brutzeit in ähnlicher Weise schon einmal vorliegen hatten. So können wir es die nächste Zeit sicher belassen und werden so auch nichts verpassen. Während des ganzen Tages gab es immer wieder Luftalarm über dem Nest. Den Fremden von gestern oder einfach andere Überflieger galt es mit Klappern und Drohen auf Distanz zu halten, denn auch ohne Gelege beansprucht unser Paar nach wie vor sein Nest und ist in keiner Wiese bereit, es in nächster Zeit aufzugeben.


Es geht doch nicht schon
wieder los?

Gott sei Dank! Das ist nur meine
Gemahlin! Die darf landen!
   

Jetzt ist es aber
wirklich ein Fremder!

Lass mich nur machen!
Dem fliege ich jetzt mal nach!
 
 
15. Mai 04

Der zweite Tag nach der Katastrophe am Storchennest! Die Sonne überstrahlt alles und lässt die Situation freundlicher erscheinen als sie in Wirklichkeit ist.


Es könnte so schön sein!

Wie sich unser Paar jetzt wohl fühlen könnte, kam in zahlreichen Gästebucheintragungen zur Sprache. Da wurden bewegende und aus menschlicher Sicht durchaus einleuchtende Beiträge verfasst, die alle tiefe Trauer um den Verlust des Geleges ausdrückten und ein ratloses Elternpaar vor sich sahen. Wenn plötzlich ein ausgesprochen starker Schlüsselreiz, wie er von Eiern in einem Gelege ausgeht, für ein auf Brut programmiertes Individuum ausfällt, entsteht sicher keine Trauer. Vielmehr löst die neue Situation ein neues Verhaltensrepertoire aus, auf das die Vögel zu reagieren haben. Gebrütet wird natürlich ohne Eier nicht mehr, das Wenden der Eier fällt ebenso flach, das Eintragen von Nistmaterial (bevorzugt Gras) unterbleibt ab sofort. Die langen Anwesenheiten am Nest sind noch ein Rest aus den Tagen des Brütens. Da gab es ja regelmäßig stundenlanges Ausharren auf dem Gelege, bis die Ablösung kam. So besteht also nach wie vor eine gute Chance, beim Blick ins Nest auch Störche zu sehen. Inzwischen habe ich Material von Joachim bekommen, welches das Geschehen vom Donnerstag lückenlos ab 17 Uhr bis zum Abschalten der Kamera in 5-Sekunden-Intervallen veranschaulicht. Rund 4000 Schnappschüsse müssen da gesichtet und ausgewertet werden. Eine spannende Sache! Die erste Einsicht in die Abläufe brachten dabei bemerkenswerte Enthüllungen, die sich mit meinen Vermutungen im Tagebucheintrag vom 13. Mai, denen lediglich rund 20 Schnappschüsse zugrunde lagen, nur teilweise decken.

Danach geschah – und ich beschränke mich auf die ersten Ergebnisse – um 20:00:37 Uhr folgendes: Das Weibchen brütete, sie war allein am Nest.

5 Sekunden später erhob es sich

und war weitere 5 Sekunden später vom Nest verschwunden. Das Gelege stand zu dieser Zeit möglichen Angriffen schutzlos ausgeliefert.

Die Flucht des Weibchens kann nur damit erklärt werden, dass sie einen fremden Storch gesichtet hatte, mit dem sie vielleicht schon in den späten Nachmittagsstunden unangenehmen Kontakt hatte und vor dem sie nun Reißaus nahm (wird noch geklärt!). Dieses Verhalten ist sicher nicht ganz regelkonform, doch mag das jugendliche Alter der Störchin dafür eine Erklärung und auch Entschuldigung sein. 20 Sekunden nach dem Abflug landet ein unberingter Storch im Nest, der sicher nicht zum Dinkelsbühler Paar gehörte und wohl der Grund für den panikartigen Abflug der jungen Störchin war.

Doch nach einem ersten, kurzen Stochern in der Nestmulde, bei dem noch keine Eier zu Schaden kamen, legte sich der Fremde um 20:01:47 Uhr wie zum Brüten ins Nest.

Als um 20:04:02 Uhr die Dinkelsbühler Storchendame auf dem Dachfirst hinter dem Nest landet, zeigt der im Nest liegende Storch keine Reaktion. Sie verhält sich ebenfalls in keiner Weise aggressiv und zeigt keinerlei Anzeichen, um ihr Gelege zu kämpfen.

Es vergehen weitere fünf Minuten, ohne dass sich an der Situation etwas ändert. Um 20:09:02 Uhr zeigt der Schnappschuss den Fremden, wie er ein zerbrochenes Ei im Schnabel hält. Ohne Vorankündigung hatte er sich innerhalb eines 5-Sekunden-Intervalls erhoben, ein Ei gepackt und zum Bersten gebracht.

Wie es weiter geht, lesen Sie in den nächsten Tagebucheinträgen.

 Zurück zum Tagesgeschehen! Den ganzen Tag über herrschte immer wieder Unruhe am Nest, ein sicheres Zeichen, dass weitere Fremdstörche im Blickfeld unseres Paares waren. Zu direkten Angriffen kam es allerdings, soweit ich es überblicken konnte, nicht.

  
Keine Ruhe für unser Paar! Die Attacken gehen weiter!
 

  
Auf in die nächste Runde!

Selbst in der Nacht kam es zu Abflügen des Männchens, den letzten konnte ich dabei um 22:29 Uhr beobachten. Dann ging das Licht aus und hüllte alles weitere in ein Dunkel.


Es gibt immer noch keine Ruhe!

Unser Nest scheint in diesem Jahr besonders attraktiv zu sein und steht damit im Blickpunkt herumstreifender Störche ohne Nestbindung. Nun wäre es natürlich sehr einfach zu denken, man bietet in Dinkelsbühl weitere Nester an und hätte dann drei Brutpaare statt einem. Ein solches Vorgehen hätte sogar den gegenteiligen Effekt und sollte somit tunlichst unterlassen werden. Eine zweite Nestunterlage würde – gesetzt den Fall, es gäbe eine solche – zu ununterbrochenen Auseinandersetzungen zweier Paare führen mit der Folge, dass keines mehr eine erfolgreiche Brut durchziehen könnte. Und außerdem sollte man solche Versuche den Störchen selbst überlassen. Wenn man sich arrangieren wollte, stünden in der Altstadt Dinkelsbühls eine Vielzahl geeigneter Nistunterlagen zur Verfügung. Doch bisher hat kein einziger Storch den Versuch unternommen, ein zweites Nest zu bauen. In den besten Zeiten gab es im Bereich der Altstadt drei Nester (klicken Sie auf  den Link „Historisches“ unter dem Bildfenster der Kamera). Doch diese Zeiten sind wenigstens im Augenblick vorbei, denn der Lebensraum bietet nun mal nicht mehr als einem Paar eine Überlebenschance und im Wissen darum verteidigen unsere Störche ihr Nest und auch die Gebiete im weiten Umkreis vor einer möglichen Ansiedelung eines zweiten Paares. In Gebieten mit weitaus besseren Lebensbedingungen für Störche gibt es dann auch Orte, in denen Störche kolonieartig brüten. Dabei beschränkt sich das Areal, das verteidigt wird, auf den engeren Nestbezirk und das können gerade mal 2 Meter sein. Merken Sie sich ganz einfach als Faustregel: Je besser der Lebensraum, desto toleranter sind Störche zueinander und desto kleiner wird auch die Fläche, die verteidigt wird und in der man keinen anderen Storch duldet. In suboptimalen Lebensräumen, wie in Oberschwaben nachgewiesen, verteidigen die Brutstörche sogar auch ihr Nahrungsrevier und vertreiben aus diesem sogar fremde Störche.

Wenn die Dinkelsbühler Störche schon nicht mit Jungen aufwarten können, möchte ich Sie abschließend mit einem Tagesbild aus dem nahen Mosbach erfreuen. Doch so ganz ungetrübt kann die Freude dort auch nicht sein, denn meine Hoffnung nach weiteren Jungen im Nest, hat sich leider nicht erfüllt. Der einzige Spross des dortigen Paares schaute einmal vorwitzig aus der kleinen Nestmulde heraus und das Porträt des 8-tägigen Jungvogels war geschafft.


Hast du mich gut im Bild, Tagebuchschreiber?

Vom Verschwinden und vom Tod der drei zuerst geschlüpften Jungen habe ich ja schon berichtet.

 
16. Mai 04

Meine Recherche durch 4000 Schnappschüsse, die mir Joachim dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat, führte mich auch heute wieder zurück zum schrecklichen Donnerstag, der unserem Paar das Gelege kostete. Es fällt nicht leicht, das Geschehen abermals aufleben zu lassen, aber die einmalige Chance einer lückenlosen Beweisaufnahme, wie sie durch die Kameraüberwachung gegeben ist, macht die Mühen und die Bestürzung über das Vorgefallene sicher erträglicher. Ich beginne nach meinem gestrigen Bericht über die Minuten zwischen 20 Uhr und 20:09 Uhr mit den ersten Angriffen des Fremdstorches in den späten Nachmittagsstunden: 

Der Tag war geprägt von einer großen Unruhe, die immer wieder zu Klapperstrophen und dem gesamten Abwehrrepertoire herausforderte. In den Minuten vor 17 Uhr hatte das Weibchen Innendienst und bebrütete die vier Eier. Zwischen 16:54 Uhr und 17:17 Uhr fliegt das Männchen dreimal an und jedes Mal steht das Weibchen kurz vor der Landung von den Eiern auf, beide Partner klappern eine Weile, die Erregung klingt ab, das Weibchen wendet sich erneut dem Gelege zu, legt sich auf die Eier und das Männchen fliegt wieder ab. Dass sich das Weibchen immer kurz vor der Landung des Partners erhob, zeigt die große Angst, Unsicherheit und Erregung, denn bei einer normalen Landung zum Zwecke der Brutablösung geschah dies in den letzten Wochen nie. Erst nach einer gewissen Zeitspanne fanden da die Ablösungen statt. Nach der Landung des Männchens um 17:17 Uhr läuft es so wie beschrieben. Doch um 17:19:12 Uhr fehlt innerhalb eines 5-Sekunden-Bildwechsels das Weibchen und man sieht für 10 Sekunden 2 im Nest kämpfende Störche. Statt ihrem Gemahl beizustehen, hat „Sie“ einfach vor der Landung des Fremden die Flucht ergriffen.

  

Unser Mann bleibt als vorläufiger Sieger zurück, „Sie“ erscheint 20 Sekunden nach Kampfbeginn wieder im Nest.

Zwischen 17:19 Uhr und 17:21 Uhr kommt es zu drei weiteren Abflügen des Männchens, danach kehrt für 25 Minuten gespannte Ruhe ein.

Um 17:46 Uhr fliegt das Männchen erneut an und wird von der „Frau des Hauses“ stehend begrüßt, beide sind sehr erregt! Es kommt zu weiteren kurzen Abflügen des Männchens, bis ein weiterer Angriff des Fremdstorchs um 17:49 Uhr erfolgt. Die Situation ist identisch mit der vorher geschilderten. Beide Dinkelsbühler stehen, das Weibchen flüchtet und unmittelbar darauf sieht man abermals zwei ineinander verkeilte Körper im Nest.

Der Sieger bleibt kurz allein, ihm schließt sich postwendend die den Kämpfen ausweichende Dame an.

Nach weiteren, kurz nacheinander erfolgten Abflügen des Männchens beruhigt sich die Szene erneut und das Paar bleibt mehr als 35 Minuten gemeinsam im Nest, ohne dass weitere Angriffe erfolgen.

Um 18:51 Uhr fliegt das Männchen erneut ab, kommt bis 19:29 Uhr zurück und verlässt sein Weibchen eine Minute später.

Diesmal scheint „Er“ etwas weiter weg geflogen zu sein, ein fataler Fehler, wie sich später herausstellen sollte. Denn als sich um 20 Uhr ein abermaliger Anflug anbahnte, erkannte das Weibchen sofort, dass es der Fremde war. Sie stand vom Gelege auf und flüchtete. Sicher zog sie sich auf ein Nachbardach zurück, um von dort das weitere Geschehen abzuwarten. Doch der mutige Kämpfer in Gestalt ihres Partners war diesmal nicht zur Stelle. Die Minuten danach bitte ich Sie im Tagebucheintrag von gestern nachzuschlagen. Diese Geschichte wird morgen fortgesetzt.

Die „Standzeiten“ unseres Paares im Nest sind nach wie vor beachtlich! Es gab nur wenige Augenblicke, in denen das Nest komplett verlassen war. Auch am heutigen Sonntag war es vor allem das Männchen, den man bei einem Blick ins Nest dort antreffen konnte. Um 20 Uhr gab „Er“ nach einer längeren Abwesenheit sein abendliches Stelldichein, genau eine Stunde später folgte sie. Zu dieser späten Stunde war von Aufregung und Bedrohungen durch fremde Störche nichts mehr zu verspüren. Das verhielt sich untertags aber noch wesentlich anders. Immer wieder musste man sich behaupten und sein Nest als besetzt darstellen, auch wenn es keine Eier mehr zu verteidigen galt.

  
Immer noch dicke Luft über Dinkelsbühl!

Einen Rückfall in frühere Zeiten stellten einige synchrone Bewegungsabläufe dar, die wir schon vor Beginn der Brutzeit als besonderes Charakteristikum für Paarfindung und Paarzusammenhalt feststellen konnten. Wer jetzt glaubt, dass als nächstes die ersten Paarungen stattfinden würden und bald ein neues Gelege im Nest zu entdecken wäre, soll sich dieser Hoffnung weiter bedienen. Ich halte dies erst für möglich, wenn die ersten Paarungen tatsächlich einsetzen, aber das – und ich habe es schon ausführlich dargestellt – wird nur ein Wunschtraum bleiben. Aber so lange uns das Paar nicht vom Gegenteil überzeugt, dürfen wir noch ein wenig träumen.

  
Im Gleichklang der Bewegungen
  

Während ich diesen Eintrag zum Abschluss bringe, setzt sich der Kampf um das Storchennest weiter fort. Immer wieder fliegt das Männchen, manchmal auch er und sie kurz vom Nest, um nach einigen Runden wieder zu landen. Die Lichtverhältnisse sind nicht die besten, aber einen echten Störstorch hält dies nicht von seinem Tun ab. Um 21:45 Uhr steht nur das Weibchen im Nest, während er seine Kräfte mobilisiert, um dem Eindringling seine Potenz zu zeigen. Leider hat Papa Storch mit seiner Partnerin in dieser Beziehung eine Niete gezogen. Aber auch wenn ich mich wiederhole: Es war für unsere Erstbrüterin halt doch ein wenig zu früh, einen Brutversuch zu starten. Mit der gesammelten Erfahrung weiß sie vielleicht im nächsten Jahr bei einer ähnlichen Situation erfolgreicher zu reagieren. Zweijährige Störche sind im Fortpflanzungsgeschehen unserer Art noch nicht vorgesehen und es klappt nur mit einer Brut, wenn man unwahrscheinliches Glück hat, Und dieses hatten wir heuer nicht. Einem erfahrenen Paar passiert ein solches Missgeschick eben viel seltener. Und es kommt nicht von ungefähr, dass Störche ab dem 5. oder 6. Lebensjahr und älter signifikant bessere Brutergebnisse vorweisen können. Die Unruhe an unserem Nest geht weiter. Gerade ist der Storchenmann wieder zu einem Verfolgungsflug gestartet.

Die Kamerauhr zeigt 21:53 Uhr. Wann wird heute Nacht endlich Ruhe einkehren?

 
17. Mai 04

Gestern nach Redaktionsschluss trudelte der Storchenmann um 22:03 Uhr am Nest ein. So viel als Nachschlag zum Tagebucheintrag des vergangenen Tages. Nach den Turbulenzen der letzten Tage möchte ich mich heute etwas kürzer fassen und die weiteren Nachträge auf spätere Einträge verschieben.


Noch herrscht traute Zweisamkeit

Dazu gehört auch die momentan unterbrochene Serie über die Geschichte der Storchennester des Landkreises Ansbach. Beides wird selbstverständlich penibel und zuverlässig weiter bearbeitet. Der vierte Tag nach der Katastrophe war erneut geprägt von pausenlosen Attacken verschiedener Fremdstörche, die es unserem Männchen kaum ermöglichten, einmal Luft zu holen.

   
Kämpft unser Held nun endgültig einen einsamen Kampf?

Ulrichs „Verbindungsfrau“ in Dinkelsbühl konnte zeitweise sogar vier Störche in der Luft über dem Nest beobachten und auch wir normalen Sterblichen konnten an den ununterbrochenen An- und Abflügen des Männchens erahnen, welchen Attacken er ausgesetzt war. Auch Helmut Wilfling ließ in mehreren Gästebucheintragungen sein Erstaunen durchblicken, mit welcher Ausdauer und Intensität die Angriffe über Stunden andauerten. Nicht verwunderlich nach den Ereignissen vom Donnerstag war auch heute die völlige Passivität des zweijährigen Weibchens. Seit den ersten Attacken um die Mittagszeit (vielleicht auch schon früher) wurde sie nicht mehr gesehen. Auch während ich diese Zeilen schreibe, wartet „Er“ immer noch vergeblich auf seine Gespielin. Sollte sie es heute vorgezogen haben, all dem Theater aus dem Wege zu gehen und ihn mit seinem Nest sitzen zu lassen. Ich möchte mir vorläufig weitere bissige Bemerkungen zur Liaison unseres nun geprellten Ehemanns mit einer frühreifen Storchendame verkneifen. Aber so viel steht fest. Auf die Figur kommt es eben nicht alleine an. „Sie“ war ein Rasseweib, „Er“ fiel auf sie herein und nun steht er doch richtig gehörnt da. Weniger die überragende Körpergröße der Angebeteten war letztlich ausschlaggebend, sondern die fehlende innere Reife verhinderte ein erfolgreiches Durchsetzen gegen den Fremdstorch. Gerade – die Uhr zeigte 21:32 Uhr – fand schon wieder eine Attacke am Nest statt, die von unserem Helden erfolgreich abgewehrt werden konnte. Was werden die nächsten Tage bringen? Kommt „Sie“ wieder zurück? Bleibt er allein? Gesellt sich eine neue Partnerin dazu? Oder setzen sich zwei neue Störche durch? Es darf von vorne mitgefiebert werden wie am Tag, als unser Männchen zum ersten Mal seinen Fuß ins Dinkelsbühler Nest setzte. Man schrieb den 3. April.

 
18. Mai 04

Lassen Sie mich heute zuerst die Ereignisse, die zum Verlust des Geleges geführt haben, abschließend aufarbeiten. Am 15. Mai berichtete ich über die Geschehnisse, die sich am Donnerstag, 13. Mai, zwischen 20 Uhr und 20:09 Uhr zugetragen hatten und gestern über die Abläufe des Unglückstages zwischen 17 und 20 Uhr. Blättern wir im Schnappschussfilm und wenden uns den Ereignissen zu, wie sie nach 20:09 Uhr geschahen, als der Fremdstorch das erste Ei im Schnabel hielt und aus dem Nest beförderte

Auf der Kamerauhr stand 20:09:37 Uhr, als sich der Angreifer erneut dem Nestinneren zuwandte. Ein 2. Ei kullert an den Nestrand und verfängt sich in den Zweigen der äußeren Nestbegrenzung.

20 Sekunden später packt der Eindringling ein weiteres, das dritte Ei, mit dem Schnabel und wirft es aus dem Nest.

Unser Vierergelege ist bis auf ein Ei in diesem Augenblick vernichtet. Nun beginnt eine weitere Ruhephase. Der Fremde legt sich ins Nest, unser Weibchen steht nach wie vor auf dem Dachfirst hinter dem Nest und vom Männchen ist nach wie vor weit und breit nichts zu sehen. Weitere 17 Minuten später fliegt das beringte Weibchen ab, ohne dass der neue Nestbesetzer eine Reaktion zeigt. Um 20:34 Uhr genau 34 Minuten nachdem das Unglück begann, kommt wieder Bewegung ins Geschehen. Der Okkupant wendet sich für eine Minute dem am Nestrand liegenden Ei zu und stößt es nach mehreren Versuchen ganz in den Abgrund.

  

Ab diesem Zeitpunkt sehen wir den Übeltäter für eine Viertelstunde unruhig im Nest hin und her laufen, ehe um 20:50 Uhr endlich das Dinkelsbühler Männchen erscheint und dem Eindringling Paroli bietet. Was sich in den nächsten Minuten abspielt ist an Dramatik kaum mehr zu überbieten.

Es kommt zu allen nur denkbaren Variationen, wer sich gerade im Nest aufhält. Zwischendurch landet auch „Sie“ immer wieder einmal für kurze Zeit allein oder mit ihrem Gemahl im Nest, hält sich aber aus jedem Kampf heraus. Das zeigt., dass die zweijährige Storchendame zu jeder Zeit in der Nähe abgewartet hatte und immer, wenn etwas Ruhe eingekehrt und der Fremde außer Reichweite war, sofort im Nest stand. Um 20:53:33 Uhr ergreift der Eindringling das letzte Ei und schleudert es weg.

Auch dieses Ei landet nach mehreren Zwischenetappen am Nestrand

  

und verschwindet letztlich auch von dort. Das war es mit unserem so viel bestaunten Vierergelege. 53 Minuten dauerte es also, bis der Fremdstorch sein Werk vollendet hatte.

Für unseren tapferen Storchenmann war danach aber noch lange keine Ruhe. Zwischen 21:21 Uhr und 21:23 Uhr ereigneten sich die schwersten Kämpfe des gesamten Tages.

In diesen Minuten sah man ununterbrochen ineinander verhakte und verschlungene Körper. Danach schien der Eindringling eine Pause verdient zu haben und ließ das Paar bis zum Abschalten der Stadtbeleuchtung in Ruhe.

Die zweijährige Storchendame ist verschwunden. Sie kam am gestrigen Abend ebenso wenig zurück wie am heutigen Tag. Auf keinem Bild konnte man sie entdecken.

 
Einsamer Kämpfer!! Nach der ersten Nacht allein!

Dafür galt es für „Ihn“, sich gegen weitere Angreifer zur Wehr zu setzen. Nun wird es für unser verbliebenes Männchen zusehends schwerer, sich der ständigen Attacken zu erwehren.

  
Auf der Verfolgung!
 

Mehrere Beobachter vor Ort in Dinkelsbühl bestätigten auch heute die ununterbrochenen Angriffe auf das Nest. An diesen Angriffen waren nach einhelliger Meinung der Beobachter mindestens zwei Fremde beteiligt. Dass es dabei auch zu kurzen Nestbesetzungen der fremden Störche kam, ist gut möglich, Bildbeweise fehlen dafür aber. Peter glaubte bei einem Storch im Nest einen Aluminium-Ring am linken Bein erkannt zu haben und auch Helmut konnte das kurzzeitige Fußen eines Angreifers im Nest beobachten. Bei so viel Betrieb im und um das Nest sind solche Zwischenlandungen immer gut möglich. Was wird uns der Abend bringen? Wird es der tapfere Storchenmann noch lange durchhalten, sein Nest vor einer feindlichen Übernahme zu schützen? Wir werden mit höchster Aufmerksamkeit die weiteren Entwicklungen am Nest verfolgen und die Chronik fortschreiben. Ihr Tagebuchschreiber konnte in der Zwischenzeit in der Regionalzeitung von den Vorgängen berichten, ebenso brachte die Abendzeitung, eine große Boulevardzeitung aus dem Nürnberger Raum, heute einen Bericht über unsere Storchentragödie und auch die Bildzeitung befasste sich heute mit den Geschehnissen an unserem Nest

 

Bitte helfen Sie den Störchen mit Ihrer Spende.
Wir bedanken uns ganz herzlich für Ihre Beiträge zum Erhalt der Webcam und zur Sicherung des Lebensraumes unserer Störche.

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Thomas Ziegler

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